Wie wahrhaftig lebst Du?
Die meisten Menschen denken von sich, dass sie ehrlich seien. Du auch?
Wann bin ich ehrlich? Wenn ich sage, was ich denke? Wenn ich kein Blatt vor den Mund nehme? Wenn ich meine Meinung verteidige? Was bedeutet es, ehrlich zu sein?
In meinem Verständnis bedeutet ein aufrichtiges und ehrliches Leben, meine innere Stimme wahrzunehmen und meine Wahrheit zu leben und auszusprechen.
Was aber ist „die Wahrheit“?
Die Wahrheit unseres Seins liegt im Sein selbst
Wenn ich ausschließlich bin, ohne Maßstäbe anzulegen, zu bewerten, zu interpretieren und illusionären Gedanken Raum zu geben, bin ich aufrichtig.
Nicht berechnend, nicht manipulativ, nicht verurteilend, nicht täuschend. Jederzeit ich selbst.
Wage einmal ein Experiment und nimm Dir vor, einen Tag lang komplett ehrlich zu sein. Du wirst erstaunt – wenn nicht sogar erschreckt – sein, wie oft Du vielleicht zu etwa 85% die Wahrheit sagst, aber zu 15% doch von ihr abweichst. Kleine manipulative Satzkonstruktionen, Worte, oder Intentionen schleichen sich unbewusst ein. Die Chance, die in der Absicht, wahrhaftig zu leben steckt ist, sich diese 15% bewusst zu machen und die Wahrheit für Dich immer tiefer zu erforschen.
Wir schattieren die Wahrheit häufig.
Manchmal aus Angst, weil andere uns dann eventuell ablehnen oder verurteilen könnten, manchmal aus Gewohnheit, oder aus Selbstbetrug, weil uns gar nicht bewusst ist, was „Wahrhaftigkeit“ meint. Wir verstecken unsere Wahrheit hinter Masken und Fassaden, die uns lange Zeit sicher durch Beziehungen und Situationen getragen haben, in denen wir Absichten verfolgten oder uns wünschten, dass unsere Erwartungen erfüllt werden.
Wahrhaftigkeit entbehrt jeder Kontrolle
Wir müssen bereit sein, die Kontrolle über ein erwünschtes Ergebnis, ein Ziel abzulegen und uns auf das Leben als ein unberechenbares Abenteuer einlassen, das seinen eigenen Regeln und Intentionen folgt. Wer also seinen Seelenplan leben möchte, muss bereit sein, ihn nicht zu „kennen“ und zu definieren, sondern die Wahrheit in sich jeden Tag aufs Neue zu erfahren, zu leben und zu teilen.
Die Wahrheit, von der ich spreche, ist nicht Deine Meinung, Deine Haltung, ein nächster konditionierter Gedanke, der Dir durch den Kopf schießt. Sie ist nicht das, wovon Du glaubst, es sei wahr.
Viele Menschen, die davon überzeugt sind, die Wahrheit jederzeit auszusprechen und zu leben, laden lediglich ihren emotionalen Ballast in Form von Projektionen auf andere Menschen ab. Es geht nicht darum, anderen Menschen den eigenen „Müll“ aufzubürden, indem man eigene Empfindungen beschuldigend, verletzend, oder übergriffig auf andere Menschen projiziert.
Die Wahrheit von der ich spreche meint eine wahrhaftige Ehrlichkeit – in erster Linie Dir selbst gegenüber. Sie meint auch eine Offenheit der Möglichkeit gegenüber, dass Deine Wahrheit sich verändert. Sie ist kein Fixum, kein Zustand, kein Fakt. Sie ist Energie in Bewegung, die dem Fluss des Lebens folgt und durch Dich in allen erdenklichen Facetten manifestiert wird.
Durch das Aussprechen der Wahrheit geben wir Informationen über uns und unser Selbst, aber auch über unsere Muster und Glaubenssätze, an andere Menschen weiter. Wir gehen in Kontakt, wir verbinden uns, wir tauschen uns aus. So kann Energie fließen und die geteilten Informationen können uns dazu dienen, zu wachsen, uns zu verändern, Heilung zu erfahren und uns einladen, in uns immer tiefer und umfassender nach der eigenen Wahrheit zu forschen.
Wir tendieren dazu, Dinge festzuhalten
Nicht anders verfahren wir mit der Wahrheit, die wir einmal für uns erkannt haben. Diese Wahrheit verteidigen wir dann als „Bild“ dessen, was für uns stimmt. Häufig mit Vehemenz, um nicht die in dieser Wahrheit gewonnene „Sicherheit“ wieder zu verlieren und uns erneut vom Fluss ins Ungewisse tragen zu lassen. Oft verwechseln wir Wahrheit und Wissen miteinander und sobald wir etwas in uns stabilisiert und im Außen als „belegt“ und „anerkannt“ gewertet haben, meinen wir, es besser zu wissen als ein anderer. Oder wir gehen davon aus, DIE Wahrheit gefunden zu haben, nach der sich nun die Welt für uns dreht.
Resultierend daraus wehren wir uns dagegen, uns für andere und deren Wahrheiten komplett naiv und unschuldig zu öffnen. Wir gehen der Herausforderung aus dem Weg, einen freien Geist zu bewahren und nicht an etwas festzuhalten, von dem wir noch immer glauben, wir müssten es „fixieren“, damit es wahr sein kann.
Beobachte Dich mal in Deiner Kommunikation mit anderen Menschen. Unterliegt sie unterschwellig einem leisen Wettbewerb? Hörst Du richtig zu, oder geht es Dir darum, Deine Wahrheit um jeden Preis zu teilen, nachdem Du die eines anderen vernommen hast? Ist deine Intention, dafür zu sorgen, dass der andere Dich „versteht“ und Deine Wahrheit als seine übernimmt?
Mit welcher Intention gehst Du in den Austausch, in die Verbindung, in Beziehung?
Möchtest Du Dich hingeben, Dich teilen, spürbar werden für den anderen, lieben?
Oder möchtest Du vielmehr ein Bild von Dir und der Bedeutung Deiner Wahrheit aufrechterhalten, an das Du selbst glaubst und das Dir ein Gefühl der Sicherheit vermittelt?
Die Wahrheit sprechen bedeutet auch, absichtslos zuhören
Wir warten in unseren Unterhaltungen häufig auf die Pause, die „Lücke“ in den Worten des anderen, wenn wir unseres dann hinzutun und unseren Standpunkt mitteilen können. Wir sprechen über uns, aber nicht aus uns selbst. Wir sprechen über unsere Gedanken, nicht aber die Sprache des Herzens. Beobachte Dich mal in Deinen täglichen Gesprächen – mit Deinem Partner, Deinem Arbeitskollegen, Deinen Eltern, oder den Kindern und spür in dieses Phänomen hinein.
Die Wahrheit liegt in der Stille. Im Zuhören, in den zarten Pausen, in denen wir spüren können, was Worte niemals sagen könnten und es einfach in uns aufnehmen – unkommentiert, unbewertet. Energie, die durch uns fließt und wirkt.
Die Angst als Ausrede
Was auch häufig passiert ist, dass wir uns selbst freisprechen von der Notwendigkeit, jederzeit ehrlich zu sein. Wir reden uns ein, dass wir durch das Nicht-Aussprechen der Wahrheit in uns, andere schützen müssten.
Wir haben Angst davor, zu verletzen. Wir möchten nicht „Schuld sein“, keine Gefühle auslösen, die als „unangenehm“ empfunden werden. Niemand zwingt uns, dem Gegenüber unsere Auffassung einer „Wahrheit“ (das wäre eine Meinung, eine Haltung) brutal an den Kopf zu knallen und nicht in Liebe zu sprechen. Wir können natürlich jederzeit ehrlich formulieren, was wir fühlen und denken, ohne Worte zu verwenden, von denen wir annehmen, dass sie den anderen treffen. Nicht, weil wir manipulieren, sondern weil wir achtsam miteinander umgehen. Wichtig ist hier – wie immer – bei sich selbst zu bleiben und den anderen und sich selbst nicht zu bewerten. Wir müssen uns nicht aus Angst und falscher Rücksichtnahme den Mund verbieten und dürfen jederzeit sagen, wie es uns mit einer Situation, einer Wahrheit des anderen, oder einem Umstand geht. Du kennst das sicher – vor allem aus Konversationen mit dem Partner oder den Kindern.
„Immer bist Du so….“
„Nie kannst Du…“
„Warum kannst Du nicht einfach mal….“
Wir spüren etwas und sprechen nicht etwa aus, wie es uns geht, was diese Situation in uns auslöst und wie wir es empfinden, sondern gehen in die Verteidigung und bombardieren unser Gegenüber mit Anschuldigungen und Verletzungen. Wir lenken uns gekonnt von unserem eigenen Thema, unserem Schmerz ab, in dem wir unsere vermeintliche Wahrheit (die sich oft hinter einer Meinung, einem Gedanken versteckt) auf den anderen projizieren und hoffen, dass es so für uns leichter wird. Wir dürfen lernen, nicht berechnend und gewaltfrei miteinander zu kommunizieren und darin in unserer Wahrheit zu bleiben.
Wenn ich Dinge nicht ausspreche, weil ich glaube, der andere könnte für mich unangenehm reagieren, spreche ich nicht die Wahrheit.
Wenn ich etwas nicht sage, weil ich Angst habe, dass der andere es nicht händeln kann, spreche ich nicht die Wahrheit.
Wenn ich etwas nicht sage, obwohl es mir auf dem Herzen brennt, brennt es sich mitunter hinein und wird immer schwerer – resultierend aus der Angst, dass ein anderer mich nicht verstehen, mich verurteilen, oder sich von mir abwenden könnte.
Die Frage, die wir uns stellen müssen ist immer: Was möchte ich denn wahrhaftig?
Möchte ich so gesehen, geliebt und angenommen sein, so wie ich bin – mit allen Facetten des Menschseins? Oder möchte ich geliebt werden, um meiner Masken und Fassaden willen? Möchte ich, dass mein Gegenüber mit der Illusion, dem Bild von mir (das ich ihm helfe zu erschaffen und aufrecht zu erhalten, in dem ich nicht die Wahrheit spreche) lebt, oder mit dem, was ich wirklich bin – wie auch immer sich das zeigen mag?
Wenn Du Deine innere Wahrheit wirklich leben möchtest,
glaub niemals an die Illusion, Du hättest sie gefunden! K. Walter
Mach Dich auf die Reise und erforsche sie.
Jeden Tag aufs Neue…
Wisse, dass Du nichts weißt.
Namasté,